Mit Absinth den Alltag vergrünen?

<<< Teil I: Dr. Zieglgänsberger über Thujon, den Wirkstoff des Absinths

(Interview von U. Gönczi, L. Marschall, A. Samberger, S. Scharnert)

 

 

Was macht die Popularität von Absinth aus?
Das Trinkritual macht einen Großteil seiner Attraktion aus. Es ist nicht der Wirkstoff allein, der in Stimmung versetzt. Wichtig ist das Umfeld, in dem Absinth genossen wird. Dazu zählen das Zelebrieren des Trinkens in der Gruppe, eine vertraute und angenehme Umgebung sowie eine gemeinsame positive Erwartungshaltung. Ein Mensch, der weiß, wie Absinth wirkt, vermag allein aufgrund eines solchen Rituals eine solche Bewusstseinsveränderung zu erreichen, selbst wenn kein Thujon mit im Spiel ist. Es ist dieses ganze Ritual, das in unserem Gehirn als Muster abgespeichert wird. Einzelne Reize dieses Ritual bewirken bereits, dass diese Erinnerungsspur in unserem Gedächtnis aktiviert wird und das Verlangen nach dem Wirkstoff entsteht. Diese Reaktion auf Reize läuft unbewusst ab, ohne dass der Betroffene etwas davon merkt. Mit den modernen bildgebenden Verfahren der Medizin kann dieser physiologische Vorgang, der sich dabei im Gehirn abspielt, nachgewiesen werden. Dieses Suchtgedächtnis bewirkt, dass der ehemals Drogenabhängige, auch wenn er überzeugt ist, nicht mehr anfällig für seine Droge zu sein, dafür sein Leben lang besonders empfänglich bleibt.

Sind Untersuchungen zum Suchtgedächtnis auch mit Thujon durchgeführt werden?
Meines Wissens bislang nicht. Ich gehe aber davon aus, dass man mit dieser Substanz absolut identische Ergebnisse bekommen würde. Dies lässt sich aus der Geschichte ableiten: Vor rund 100 Jahren wurde Absinth besonders in Frankreich in großer Menge getrunken. Damals gab es Tausende von Abhängigen mit charakteristischen Suchtmerkmalen.

Absinth wird auch als die "grüne Fee" bezeichnet. Wie kommt es zu diesem Namen?
Das ist ganz einfach zu erklären: durch das Chlorphyll und die im Wermut enthaltenen pflanzlichen Extrakte. Absinth kann aber je nach Herstellungsverfahren nicht nur grün, sondern auch gelb oder farblos ein. Außerdem verändert sich sein Aussehen durch die Zugabe von Wasser, da nun die etherischen Öle ausfallen und das Getränk opalesziert.. Doch ist es gerade die intensiv grüne Farbe, die seinen Zauber ausmacht.

Mittlerweile ist Absinth problemlos per Internet oder in Spirituosen-Fachgeschäften erhältlich. Ist die freie Vermarktung aus medizinischer Sicht überhaupt vertretbar?
Aus meiner Sicht stellt dies ein Unding dar, da wir nicht wissen, was wir da bekommen. Was mich an der Vermarktung aber am meisten stört, ist die Werbung, die für legale Drogen gemacht werden darf. Und eben diese legalen Drogen sind unser eigentliches Problem. Bedenken Sie, dass in Deutschland jährlich 150.000 Menschen durch Alkohol und Zigaretten sterben. Dagegen liegt die Zahl derer, die infolge des Genusses illegaler Drogen wie Heroin oder Haschisch sterben, bei ungefähr 2000. Die Schwierigkeit liegt darin, dass wir nicht mit legalen Drogen umgehen können. Sie sind die Bedrohung Nummer eins. Und unser Staat verdient auch noch kräftig über die Steuern. Schauen Sie sich doch mal einen Werbespot für ein Formel-Eins-Rennen an - eine absolut drogenpolitische Katastrophe. Mit allen werbetechnischen Tricks werden hier positive Assoziationen zwischen Rennsport, Zigaretten und Alkohol hergestellt, bis der Zuschauer am Ende den Sieg von Schuhmacher mit dem von Marlboro oder Foster-Bier gleichsetzt. Auf diese Weise wird unheimlich viel Geld gemacht. Eben dies ist auch der Grund, weshalb hier nicht groß geforscht werden darf. Wir Wissenschaftler sollten uns da nicht instrumentalisieren lassen.

Wäre die Angabe des Thujon-Gehaltes auf der Packung nicht ein sinnvolles Mittel gegen Absinthmissbrauch?
Ich glaube nicht, dass es ein wirksames Mittel ist, trotzdem sollte die Angabe auf keiner Flasche fehlen. Eine Deklaration ist allein schon deshalb notwendig, weil manche allergisch auf Thujon reagieren. Auch für Leber- und Nierenpatienten ist eine solche Angabe unerlässlich. Allerdings müssen Sie auch bedenken, dass für manche Personen gerade hochprozentiges Thujon einen besonderen Anreiz bietet. Von daher wäre es Augenwischerei, zu meinen, dass eine Deklaration den Gebrauch kontrolliert.


Teil III: Dr. Zieglgänsberger über mögliche Auswirkungen auf die Geselschaft und neue Forschungen mit Thujon >>>