Was
macht die Popularität von Absinth aus?
Das Trinkritual macht einen Großteil seiner Attraktion aus.
Es ist nicht der Wirkstoff allein, der in Stimmung versetzt. Wichtig
ist das Umfeld, in dem Absinth genossen wird. Dazu zählen das
Zelebrieren des Trinkens in der Gruppe, eine vertraute und angenehme
Umgebung sowie eine gemeinsame positive Erwartungshaltung. Ein Mensch,
der weiß, wie Absinth wirkt, vermag allein aufgrund eines
solchen Rituals eine solche Bewusstseinsveränderung zu erreichen,
selbst wenn kein Thujon mit im Spiel ist. Es ist dieses ganze Ritual,
das in unserem Gehirn als Muster abgespeichert wird. Einzelne Reize
dieses Ritual bewirken bereits, dass diese Erinnerungsspur in unserem
Gedächtnis aktiviert wird und das Verlangen nach dem Wirkstoff
entsteht. Diese Reaktion auf Reize läuft unbewusst ab, ohne
dass der Betroffene etwas davon merkt. Mit den modernen bildgebenden
Verfahren der Medizin kann dieser physiologische Vorgang, der sich
dabei im Gehirn abspielt, nachgewiesen werden. Dieses Suchtgedächtnis
bewirkt, dass der ehemals Drogenabhängige, auch wenn er überzeugt
ist, nicht mehr anfällig für seine Droge zu sein, dafür
sein Leben lang besonders empfänglich bleibt.
Sind
Untersuchungen zum Suchtgedächtnis auch mit Thujon durchgeführt
werden?
Meines
Wissens bislang nicht. Ich gehe aber davon aus, dass man mit dieser
Substanz absolut identische Ergebnisse bekommen würde. Dies
lässt sich aus der Geschichte ableiten: Vor rund 100 Jahren
wurde Absinth besonders in Frankreich in großer Menge getrunken.
Damals gab es Tausende von Abhängigen mit charakteristischen
Suchtmerkmalen.
Absinth
wird auch als die "grüne Fee" bezeichnet. Wie kommt
es zu diesem Namen?
Das ist
ganz einfach zu erklären: durch das Chlorphyll und die im Wermut
enthaltenen pflanzlichen Extrakte. Absinth kann aber je nach Herstellungsverfahren
nicht nur grün, sondern auch gelb oder farblos ein. Außerdem
verändert sich sein Aussehen durch die Zugabe von Wasser, da
nun die etherischen Öle ausfallen und das Getränk opalesziert..
Doch ist es gerade die intensiv grüne Farbe, die seinen Zauber
ausmacht.
Mittlerweile
ist Absinth problemlos per Internet oder in Spirituosen-Fachgeschäften
erhältlich. Ist die freie Vermarktung aus medizinischer Sicht
überhaupt vertretbar?
Aus meiner
Sicht stellt dies ein Unding dar, da wir nicht wissen, was wir da
bekommen. Was mich an der Vermarktung aber am meisten stört,
ist die Werbung, die für legale Drogen gemacht werden darf.
Und eben diese legalen Drogen sind unser eigentliches Problem. Bedenken
Sie, dass in Deutschland jährlich 150.000 Menschen durch Alkohol
und Zigaretten sterben. Dagegen liegt die Zahl derer, die infolge
des Genusses illegaler Drogen wie Heroin oder Haschisch sterben,
bei ungefähr 2000. Die Schwierigkeit liegt darin, dass wir
nicht mit legalen Drogen umgehen können. Sie sind die Bedrohung
Nummer eins. Und unser Staat verdient auch noch kräftig über
die Steuern. Schauen Sie sich doch mal einen Werbespot für
ein Formel-Eins-Rennen an - eine absolut drogenpolitische Katastrophe.
Mit allen werbetechnischen Tricks werden hier positive Assoziationen
zwischen Rennsport, Zigaretten und Alkohol hergestellt, bis der
Zuschauer am Ende den Sieg von Schuhmacher mit dem von Marlboro
oder Foster-Bier gleichsetzt. Auf diese Weise wird unheimlich viel
Geld gemacht. Eben dies ist auch der Grund, weshalb hier nicht groß
geforscht werden darf. Wir Wissenschaftler sollten uns da nicht
instrumentalisieren lassen.
Wäre
die Angabe des Thujon-Gehaltes auf der Packung nicht ein sinnvolles
Mittel gegen Absinthmissbrauch?
Ich glaube
nicht, dass es ein wirksames Mittel ist, trotzdem sollte die Angabe
auf keiner Flasche fehlen. Eine Deklaration ist allein schon deshalb
notwendig, weil manche allergisch auf Thujon reagieren. Auch für
Leber- und Nierenpatienten ist eine solche Angabe unerlässlich.
Allerdings müssen Sie auch bedenken, dass für manche Personen
gerade hochprozentiges Thujon einen besonderen Anreiz bietet. Von
daher wäre es Augenwischerei, zu meinen, dass eine Deklaration
den Gebrauch kontrolliert.
Teil
III: Dr. Zieglgänsberger über mögliche Auswirkungen
auf die Geselschaft und neue Forschungen mit Thujon >>>
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