Die
Bezeichnung Absinth kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel
wie unerfreulich bzw. untrinkbar. Was für ein Produkt verbirgt
sich eigentlich hinter diesem Namen?
Bei Absinth
handelt es sich um einen hochprozentigen Wermutlikör mit zahlreichen
Inhaltsstoffen. Eine Komponente ist Wermutöl, das so bitter
und unangenehm schmeckt, dass man es in unverdünnter Form nicht
genießen kann. Ein anderer Bestandteil ist Thujon, das für
die halluzinogene und toxikologische Wirkung verantwortlich ist.
Thujon wirkt in höherer Konzentration schädlich auf Magen,
Leber und auf unser Nervensystem. Deswegen wurde Absinth 1923 in
Deutschland verboten.
Absinth
wird derzeit als neue Lifestyle-Droge angeboten. Welche Gefahren
könnten sich hieraus für die Konsumenten ergeben?
Thujon
wirkt in bestimmten Dosen halluzinogen und kann eine euphorische
Stimmung erzeugen. Stimmungsaufhellende Substanzen sind besonders
für ängstliche Menschen gefährlich. In ihrem Fall
ist die Gefahr besonders groß, dass sie darauf zurückgreifen,
um sich sicher zu fühlen. Diese psychotrope Wirkung erzeugt
in Kombination mit Alkohol, der ja auch im Absinth enthalten ist,
die Sucht.
Walther
Zieglgänsberger
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Professor
Dr. med. Walther Zieglgänsberger, Leiter der Arbeitsgruppe
Klinische Neuropharmakologie am Max Planck Institut für
Psychiatrie München, Grundlagenforschung im Bereich Schmerz
und Sucht. Zieglgänsberger wurde 1990 mit dem Deutschen
Förderpreis für Schmerzforschung und Schmerztherapie
und 1999 mit dem Deutschen Schmerzpreis ausgezeichnet.
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Sind
bereits konkrete Vergiftungsfälle bekannt?
Nein,
es liegen noch keine konkreten Fälle vor, von denen man eindeutig
sagen könnte, das ist nicht der Alkohol, der hier toxisch wirkt,
sondern das Thujon.
Gibt
es ein Gegengift?
Ein spezifisches
Gegenmittel fehlt. Bei Vergiftungen muss daher auf die herkömmlichen
Maßnahmen der Intensivmedizin zurückgegriffen werden.
Dazu zählen das Einleiten einer Diurese, also der Forcierung
der Harnausscheidung, damit das Thujon möglichst schnell über
den Urin aus dem Körper ausgeschieden wird oder die Gabe von
antiepileptisch wirksamen Substanzen gegen Krampfanfälle.
Das
Schlaf- und Beruhigungsmittel Contergan wurde vor genau 40 Jahren
aus dem Handel genommen, da sich der Zusammenhang zwischen seiner
Einnahme und dem gehäuften Auftreten von Gliedmaßenfehlbildungen
bei Neugeborenen nicht länger leugnen ließ. Auch hier
gab es lange vor der Vermarktung Hinweise auf die neurotoxische
Wirkung seines Inhaltstoffes. Wie beurteilen Sie die Legalisierung
thujonhaltiger Pflanzen angesichts dieses Falles?
Sowohl
Thalidomid, das ist der Wirkstoff von Contergan, als auch Thujon
können in bestimmten Dosen neurotoxisch und damit schädigend
auf unser Nervensystem wirken. Beim Thalidomid kommt aber noch eine
teratogene Wirkung hinzu. Dies bedeutet, dass die Substanz auf die
Gene unseres Erbguts einwirkt. Wird es von einer schwangeren Frau
eingenommen, kann dies dazu führen, dass beim Fötus schwere
Missbildungen auftreten.
Gibt
es Untersuchungen über das teratogene Potenzial von Thujon?
Meines
Wissens nicht. Vor 100 Jahren, als Absinth in großen Mengen
getrunken wurde, gab es diese Überlegung noch nicht. Heute
haben wir zwar jede Menge an Informationen zum Thujon. Geben Sie
doch einfach mal den Begriff ins Internet ein - Sie werden mit allgemeinen
Auskünften dazu regelrecht überschwemmt. Rar sind dagegen
gesicherte wissenschaftliche Daten. Hier besteht noch ein riesiges
Forschungsdefizit.
Teil
II: Prof. Zieglgänsberger über die Popularität der
"grünen Fee" >>>
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